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Zwischen Psychologie und höherer Finanzmathematik

Unternehmensnachfolge

von Wolfgang A. Eck

Viele Geschäftsbereiche der Banken blicken in eine unsichere Zukunft. Die Nachfolgeberatung gehört nicht dazu. Eine Nachfolgewelle rollt in den nächsten fünf Jahren über den Mittelstand. Das will organisiert werden, fordert von den Banken aber eine vernetzte Zusammenarbeit mit anderen Akteuren und ein Verständnis für die Vielschichtigkeit des Prozesses.

Die gute Nachricht für die Banken und alle Akteure der Branche ist, dass laut der KfW in den nächsten Jahren konkret eine halbe Million Unternehmensübergaben (13,7 % aller KMU) durchzuführen sind. Die noch bessere Nachricht ist, dass die Spitze des Generationenwechsels in den Jahren 2023 bis 2027 erreicht werden wird.

Gründe für die starke Welle an Nachfolgeprojekten gibt es viele, übrigens nicht nur demographische, wie man auf den ersten Blick vermuten würden. Trends wie Globalisierung und Digitalisierung sowie Konsolidierungsdruck manövrieren insbesondere kleinere Unternehmen in eine Lage, in der sie nicht mehr wettbewerbsfähig bleiben können. Auch diese Erfordernisse können externe Nachfolgesituationen erzwingen. „Ein weiterer – und nicht unerheblicher – Grund der stark zunehmenden Nachfolgesituationen ist die zu beobachtende hohe Liquidität im Markt, die zu sehr hohen Kaufpreisen und damit in ‚Versuchung‘ führt“, ergänzt Oliver Bortz, Leiter Corporate Finance für den Mittelstand bei der Deutschen Bank. Hinzu kommen aus seiner Erfahrung regionale Struktureinflüsse, so zum Beispiel in Ostdeutschland. Dort zieht sich die erste Unternehmergeneration, die nach der Wende das Heft in die Hand genommen hatte, zunehmend aus ihrem Aufbauwerk zurück.

„Eine Übergabe ist ein Prozess, der mehrere Jahre dauern kann. Es gibt einige erfolgskritische Faktoren bei einer Übergabe, wir empfehlen die enge Zusammenarbeit mit der Hausbank, zum Beispiel mit der Sparkasse vor Ort“, sagt Dirk Olbrich, Geschäftsführer der exact Beratung GmbH und Betreiber der Unternehmensbörse Hessen am Rande des Sparkassen-Unternehmerforum Oberlahn, einem Format zum Informations- und Erfahrungsaustausch der Kreissparkasse Weilburg. Die Veranstaltung zeigte, dass das Thema für viele Unternehmer nicht nur wichtig, sondern auch zeitkritisch ist. Olbrich berät kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) und ist Netzwerkpartner von Sparkassen.

Die Rolle der Banken bei der Nachfolgeplanung

Die überragende Bedeutung der Nachfolgeregelung für die Unternehmerfamilien ist offensichtlich. Aber auch für die Banken ist der Nachfolgeprozess ein neuralgischer Zeitpunkt, selbst dann wenn eine unternehmensinterne Lösung präferiert wird, bei der die Finanzinstitute wenig bis gar keinen Wertbeitrag verzeichnen können. Die Beratung an sich ist nämlich in der Regel kostenlos.

Dr. Roland Röder, Leiter Vertriebsmanagement und Fachberatung Firmenkunden der Frankfurter Sparkasse (Fraspa), erläutert den Hintergrund: „Eine aktive Herangehensweise einer Bank bei der Nachfolgeplanung ist sowohl Mittel der Kundenbindung als auch des erfolgreichen Kreditmanagements. In einem Nachfolgeprozess ist ein Unternehmenskunde grundsätzlich auch abwanderungsgefährdet und die Risikosituation eines Unternehmens kann sich erheblich ändern.“ Das Chancen-Risiko-Profil der Bank im Rahmen eines Stabswechsels beim Firmenkunden erweitert Bertram Theilacker – Vorstandsmitglied bei der Nassauischen Sparkasse: „Die Agenda der Jungen sieht oft signifikante Änderungen im Unternehmen vor, darunter meist auch das Reporting. Mit den veränderten Steuerungsmodellen ergeben sich auch veränderte Schnittstellen zur Bank.“

Aber nicht nur im Zeitpunkt der Übergabe, auch davor und danach kann ein großer Einfluss auf das Geschäft mit dem Firmenkunden bestehen: Der zeitnah bevorstehende Generationenwechsel in der Inhaberschaft, gepaart mit einem generell recht hohen Alter des Inhabers (insbesondere bei fehlendem eigenem Nachwuchs) blockiert die Investitionsfreude, wie die empirischen Daten der KfW-Studie „Generationenwechsel im Mittelstand‘ zeigen. Einerseits herrscht bei Alteigentümern von KMU vor ihrem Rückzug Unsicherheit, ob ein potenzieller Nachfolger den künftigen Ertrag einer Investition gleich hoch bewertet wie er selbst – und dies entsprechend im Kaufpreis berücksichtigt. Andererseits besitzen viele Investitionen bei fortgeschrittenem Alter aus Inhabersicht eine zu lange Amortisationszeit. Der Wunsch in hohem Alter keine langjährigen finanziellen Verpflichtungen einzugehen ist dann ausgeprägt. Daher ist nicht verwunderlich, dass direkt nach dem Wechsel die Investitionen deutlich ansteigen. Einen besseren Zugang kann sich keine Bank wünschen.

Finanzinstitute unterstützen insbesondere bei der Erstellung eines Finanzierungskonzeptes und bei der M&A-Beratung. Erb-und steuerrechtliche Themen zum Beispiel sind aber die natürliche Grenze, hier leisten Wirtschaftsprüfer und Steuerberater einen Beitrag. Zeitnah sollte ein interdisziplinäres Team spezialisierter Berater eingebunden werden. Dennis Hummelmeier, Leiter Kompetenzzentrum „Unternehmer“ bei Berenberg, sieht die Banken da aber zumindest in einer indirekten Rolle: „Hierbei ist es wichtig, evtl. Steuerbelastungen im Blick zu behalten und für dementsprechende Liquidität zu sorgen, um Liquidationen durch Verkäufe oder Darlehensbelastungen zu vermeiden. Peter Horn, Regional Head Financial Engineering West bei der Commerzbank empfiehlt zudem: “Für alle Beteiligten ist es ratsam, neben der präferierten Nachfolgelösung auch eine Alternative zu überdenken.“

Prozess, Datenbanken und Förderung

Das Zusammenbringen von Verkäufer und Käufer wird traditionell durch die Banken geleistet. Aber auch Nachfolgebörsen können die Suche technisch unterstützen. Die Bekannteste ist die Börse nexxt-change, eine Internetplattform des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie, der KfW, der DIHK, des Zentralverbands des Deutschen Handwerks sowie der Volks- und Raiffeisenbanken und der Sparkassen. Die starke Nachfrage betrifft momentan allerdings vor allem gefestigte Mittelstandsunternehmen, weniger kleinere Betriebe. Oliver Rogge – Abteilungsleiter im Bereich Corporate Finance/M&A bei der DZ BANK – prognostiziert: „In Zukunft werden die Nachfolgeleistungen vor allem im kleineren Nachfolgesegment stärker von neuen Instrumenten wie digitalen Börsen und digitalisierten Prozessschritten geprägt sein.“ Bei mittleren und großen Transaktionen bleiben die Banken natürlich in der Beraterfunktion.

Untersucht hat die LBBW die Erfolgsfaktoren der Nachfolgeplanung: An führender Stelle steht die Einarbeitung des Nachfolgers, Erhalt von Kunden/Lieferanten, der frühen Nachfolgersuche und der Akzeptanz durch die Mitarbeiter. Für den  Nachfolgeprozess veranschlagt man bei der NRW.BANK, der Förderbank für das Land Nordrhein-Westfalen, inklusive der Planungsphase durchschnittlich fünf Jahre.

Ingrid Hentzschel, Leiterin der Abteilung Hausbanken- und Fördernehmerberatung bei der NRW.BANK: „Wichtig für einen Finanzier ist ein schlüssiges Konzept, in dem der Erfolg des übernommenen Unternehmens und die Tragbarkeit der notwendigen Finanzierungen nachvollziehbar dargestellt sind.“ Sie gibt auch die Empfehlung, bei regionalen Kammern und Wirtschaftsförderungen vorstellig zu werden. Die NRW.Bank kann eine passgenaue Förderberatung beisteuern. Beratungen durch weitere Anbieter können zudem mit Zuschüssen, zum Beispiel über das Regionale Wirtschaftsförderungsprogramm (RWP), gefördert werden. Hilfreich sind ebenfalls die praxisorientierten, eintägigen Seminare der Bank, die Anregungen zu verschiedenen Themenstellungen bieten.

Grenzen der Beratung

In diesem Punkt waren die Rückmeldung der befragten Experten einhellig: Zeit und Raum für Handlungsoptionen ist oft ein Problem und erschwert die Lösungsfindung. Der Worst-Case für Unternehmen, Berater wie auch Banken ist der plötzliche Tod des Unternehmensinhabers, der keine Vorsorge getroffen hat. Einige Institute verweisen daher auf ihren Internetpräsenzen und in ihren Informationsmaterialien auf detaillierte Checklisten (oft Notfallkoffer genannt) für diesen nicht wünschenswerten, aber gar nicht so seltenen Fall.

Unternehmensnachfolgeplanung heißt nicht nur das Spektrum von Psychologie bis hin zur Finanzmathematik zu beherrschen, sondern oft auch beides auf einen Nenner zu bringen: Denn zu den großen Hürden einer Nachfolgeregelung zählt insbesondere bei Familienunternehmen die hohe emotionale Bindung des Inhabers an sein Lebenswerk. Damit verbunden sind dann auch oft überhöhte Preisvorstellungen beim Verkauf: Das Lebenswerk wird vom Unternehmer oft nicht auf Grundlage einer realistischen Marktbewertung taxiert, sondern aus der emotionalen Wertschätzung heraus. Die Banken stellt das regelmäßig vor eine schwierige Überzeugungsarbeit. „Insbesondere bei kleineren Übergaben ist das Unternehmen selbst Teil der Altersvorsorge des Unternehmers,“ fügt Röder von der Fraspa hinzu. Daraus lässt sich folgern, dass neben der emotionalen Verbindung zum Unternehmen auch noch eine starke finanzielle Abhängigkeit vom Ergebnis der Nachfolgeplanung dazu kommt. Oliver Rogge von der DZ BANK beobachtet in seiner Praxis außerdem, dass Unternehmer manchmal Nachfolgeregelungen anstoßen, diese dann aber nicht zu Ende führen.

„Auch Qualifikationsdefizite seitens des Übernehmers sowie unterschätze Anforderungen an eine Betriebsübernahme können die Übergabe erschweren oder sogar verhindern,“ weiß Ingrid Hentzschel von der NRW.BANK aus Ihrer Praxiserfahrung zu berichten.

Im Teamplay mit anderen Akteuren

Wo die Grenzen der Bank sind, ist Raum für andere Unterstützer, wie Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Beispielsweise braucht manches Familienunternehmen für den Prozess aber auch eine externe Mediation, wie Roland Röder veranschaulichen kann: „Bei Familienunternehmen begegnet uns immer wieder, dass das Kind, das ein Unternehmen übernehmen soll und vermeintlich schon lange darauf vorbereitet wurde, letztlich ganz andere Lebenspläne hat und diese erst unter dem Druck des Übergabeprozesses äußert. Wir raten unseren Familienunternehmern die Frage der Übernahmebereitschaft frühzeitig, explizit und offen an die betroffenen Kinder zu richten.“ Dr. Alexander Koeberle-Schmid ist Berater und ein externer Mediator. Die Lösung von Familienkonflikten liegt dabei oft nicht nur in der Mediation selbst, sondern auch in der Schaffung neuer, adäquater Governance-Strukturen. Externe Berater haben dabei ihren Preis und kommen so in der Regel nur im etablierten Mittelstand und bei Großunternehmen zum Einsatz. Koeberle-Schmid sieht die (Haus-)Banken in der Verantwortung, im Nachfolgeprozess eine Kontrollfunktion wahrzunehmen und ihren häufigen Kontakt zum Kunden zu nutzen, auf mögliche ungelöste Nachfolgeprobleme hinzuweisen und zu erinnern.

Der Autor

Wolfgang A. Eck ist Wirtschaftsjournalist bei Financial Publishing in Weilburg/Rhein-Main und Chefredakteur von mehr-magazin.de.

Quelle: LBBW (2017): Nachfolgelösungen im Mittelstand

Über Wolfgang Eck

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