Interview mit Prof. Dr. Christian Rieck
Weilburg, 24. Juli 2024. Bereits 2015 hat Wirtschaftsprofessor Dr. Christian Rieck mit dem Buch „Können Roboter mit Geld umgehen?“ Einblicke in die Dynamik zwischen Technologie und
Finanzwesen gegeben. Im Themen-Radio sprach er jetzt über den Stand und die Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz (KI) auf die Finanzbranche.
Wird die KI die Finanzbranche verändern oder hat sie das schon längst getan?
In der Anfangszeit, als der Begriff KI Einzug gehalten hat, ist man bei den Banken dafür ziemlich verlacht worden. Innerhalb der Banken herrschte die Auffassung, das sei etwas für Spinner, das sei Science-Fiction. Tatsächlich habe ich Vorträge über Science-Fiction gehalten, einfach um über diese Dinge sprechen zu können, sodass die verdaubar waren. Aber Banken hatten überhaupt nicht auf dem Schirm, dass KI etwas ist, was sie selbst betrifft. Das galt lange bis in die höchsten Führungsebenen.
Aber wir sehen, was passiert ist: KI hat im Zusammenspiel mit allen möglichen anderen Technologien Einzug gehalten und sowohl die Art wie etwas im Speziellen gemacht wird, als auch das Zusammenspiel zwischen diesen Sachen komplett geändert.
Haben die Banken diese Entwicklung verschlafen?
Naja, wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, dass die Technologiekonzerne fast allen Branchen inzwischen die Butter vom Brot genommen haben – mit Ausnahme der Banken. Und dafür gibt es einen Grund: die Regulatorik. Regulatorik lässt sich für Außenstehende extrem schwer adaptieren und umsetzen. Denn es ist gefährlich: Schon bei kleinen Fehlern kann es zur persönlichen Haftung kommen, schnell drohen auch strafrechtliche Konsequenzen. Diese Tatsache schützt Banken. Und da steckt eine gewisse Ironie drin: Banken sind ausgerechnet durch das, was sie selbst als lästige Pflicht empfinden, davor geschützt, dass ein externes Technologieunternehmen die Zügel in die Hand nimmt, „einfach mal macht“ und dann wird das schon mit der Zeit. Das ist in der Branche nicht möglich.
Banken beschweren sich oft über die vielen Regularien. Aber in dem Fall war es ja offensichtlich positiv?
Ja, das ist in der Tat meine These. Dass Regulatorik ein heikles Feld und durchaus bejammernswert ist, unterstreiche ich. Es gibt definitiv Auswüchse, bei denen unbedingt nachgebessert werden sollte. Vor allem, wenn sich die Vorschriften negativ für die Kunden auswirken. Aber in der Tat, die Regulierung hat erst einmal dazu geführt, dass nur die Banken das erforderliche Wissen haben, um damit richtig umzugehen. Das hat sie geschützt.
Vor einigen Jahren haben Sie sich unter anderem mit dem Thema beschäftigt, dass die Banken über KI oder entsprechende Systeme Berater ersetzen könnten, beziehungsweise ersetzt haben.
Ja, das ist richtig. Das, worauf Sie wahrscheinlich gerade anspielen, ist der Beitrag zum Thema „Mögen Menschen Roboter?“. Da sind wir der Frage nachgegangen, wie gern oder ungern Menschen andere Menschen im Vergleich zu Robotern haben. Zwischenmenschlich gibt es ein gewisses Spektrum, das ist wenig überraschend. Wohl aber, dass Roboter weit abgehängt werden. Das Erstaunliche ist, dass die Menschen das selbst nicht so wahrnehmen. Fragen Sie die Probanden, geben diese an, es sei ihnen egal, ob sie von einem Roboter oder einem Menschen bedient werden. Der Praxistest beweist das Gegenteil. Menschen mögen Roboter weniger, als sie selbst glauben. Der menschliche Kontakt scheint also ein wichtiger zu sein. In Sachen Vertrauen liegen die Dinge etwas anders. Da waren die Probanden bereit, einem Roboter länger Vertrauen zu schenken als einem Menschen. Salopp gesagt ließen sie sich von der Maschine länger an der Nase herumführen. Auch das finde ich spannend.
Wie können Banken von der KI in Zukunft profitieren?
Ich würde sagen, dass praktisch alles, was Teil des Geschäftsmodells ist, in irgendeiner Form mit KI zusammenwachsen wird. Wobei auch das nach meiner Einschätzung weniger revolutionär ist, als es auf den ersten Blick aussieht. Denn häufig ist KI letztlich nur eine bestimmte Methode, wie man statistische Vorgehensweisen anwendet. Also eine schicke Variante einer Statistik.
Das heißt also, dass solche quantitativen Methoden in praktisch allen Bereichen Einzug halten werden, auch in den Geschäftsmodellen von Banken – ob wir wollen oder nicht. In vielen Fällen werden sich die Dinge unmerklich verändern. Und auch wenn es am Ende lauter kleine Schritte waren, wird trotzdem so vieles anders sein, dass wir uns an das Alte kaum mehr erinnern.
Weitere Einblicke – unter anderem zu den Bereichen Portfoliosteuerung, Datenauswertung und -sicherheit – erhalten Sie im ausführlicheren Interview mit Professor Rieck auf ThemenRadio: https://www.themen-radio.de/2024/die-finanzbranche-und-die-kuenstliche-intelligenz/
Der Interviewpartner
Christian Rieck ist Professor für Finance und Wirtschaftstheorie an der Frankfurt University of Applied Sciences und Experte für Spieltheorie. Er war als Berater im In- und Ausland tätig, ist ein gefragter Redner und YouTuber. Seit vielen Jahren ist er erfolgreicher Autor zu den Themen Spieltheorie und zur Zukunft der Finanzbranche.
Der Autor
Wolfgang A. Eck ist Chefredakteur von Mehr-Magazin und Wirtschaftsjournalist bei Management-Publishing in Weilburg/Rhein-Main.